Ein paar Kilometer weiter die Strasse runter, am Visitor Center zum Nationalpark, machen wir uns über die möglichen Wanderungen schlau. Nicht zu lang, wir wollen ja heute noch weiterfahren. Diejenige zum Bluff mit 6.8 km sieht interessant aus – da gibt es Aussicht auf die Schlucht bzw. den Canyon. «Komm, die möge mer no», sagen wir uns. Schnell eine Flasche Wasser, etwas Früchtebrot und doch ein paar Wanderstöcke in den kleinen Rucksack gepackt und schon geht’s los.
Der erste Teil des Weges führt durch die breite Carnarvon Gorge. Ständig hören wir das Gurgeln des Carnarvon Rivers neben uns, ohne ihn allerdings richtig sehen zu können. Der Weg geht in leichten Wellen auf und ab. Als wir zum Bluff abbiegen, geht es eigentlich nur noch aufwärts. Ehe wir oben ankommen, muss noch ein kurzes, aber steiles Stück mit Treppen und Leitern bewältigt werden. «Wir sollten gute Knie haben», gibt uns eine entgegenkommende Wanderin mit auf den Weg. Doch für geübte Schweizer Berggänger ist es nicht so herausfordernd.
Oben angekommen sind es nur noch 10 min. bis zum Dach von Queensland oder «The Roof of Queensland», wie es im Original geschrieben steht. Und wirklich. Wir fühlen uns wie auf dem Dach von Queensland: Ein weiter Blick auf die untenliegende Gegend. Wir sehen Canyon-Wände steil herausragen und dichtbewaldende Senken, Bergkämme und weite, bewaldete Tiefebenen, soweit das Auge reicht.
Wieder an der Abzweigung zum Wanderweg unten angekommen, reizt es uns doch noch die Gorge weiter zu erkunden und noch bis zur «Art Gallery» zu gehen. In dieser Galerie sollen urzeitliche Zeichnungen der Aborigines zu sehen sein. «Wir sind jetzt schon ein Stück weit in diese Richtung gewandert. Ist nicht mehr so viel, das machen wir jetzt auch noch», meint Ma. Insgesamt überqueren wir 5-mal den ruhig dahinfliessenden Carnarvon River. Wir hüpfen wie Kängurus über die in das Flussbett gelegten grossen Steine. Der Weg schlängelt sich immer weiter. Immer wieder hören wir von entgegenkommenden Wanderern, dass es sehenswert ist die Gallery zu besuchen.
Am letzten Abzweig des Hauptweges biegen wir ab. Es kann nicht mehr weit sein. Das angeschriebene Amphitheater mit seinen mächtigen gebogenen Naturfelsen wird die ersehnte Gallery sein. Nur noch ein paar Leitern hoch, durch den schmalen Spalt zwischen den Felsen bzw. Slot Canyon und wir sind da. Im Amphitheater!
Als wir alles auf uns wirken lassen, kommt ein junger Mann (mit deutlich deutschem Akzent) daher und meint, dass dieses Amphitheater der perfekte Ort sei, um Musik zu machen. So kommen wir mit Michel ins Gespräch. Als wir noch andere Wanderer nach der Gallery fragen, bekommen wir zur Antwort, dass es nicht mehr weit sei. Den Abzweig bis zum Hauptweg, dann weiter links. Und ja, es ist sehenswert!
Ma spürt unterdessen schon etwas ihre nun müden Beine. Ausserdem macht ihr die Hitze etwas zu schaffen. Michel möchte auch die Art Gallery noch sehen und sich dann auch noch auf die Weiterfahrt. In einer Woche ist er in Melbourne auf eine Hochzeit eingeladen.
Irgendwie zieht sich das letzte Stück des Weges wie Kaugummi in die Länge. «Wann kommt den jetzt die Galerie?» fragen wir uns alle. Die arme Ma spürt ihre Beine und Muskeln immer mehr. Endlich sind wir angekommen. Bevor die einmaligen Zeichnungen gewürdigt werden können, muss erst einmal ein Schluck aus der Wasserflasche her. «Mist, haben wir nur eine eingepackt. Aber es muss halt irgendwie reichen», meint Ma. So richtig kann dies alles heute nicht geschätzt werden. Dazu sind die Beine zu schwer, und die Muskeln zu müde geworden. Und wir wollen auch noch weiterfahren…
Mittlerweile nimmt es Ma jeden Schritt recht schwer. Daher wird auch schon bald wieder aufgebrochen. Jo tauscht mit Michel noch die Daten aus. Die obligatorische Einladung ins Buen darf nicht fehlen.
An einer Wegkreuzung trennen sich unsere Wege. Michel möchte noch etwas anderes erkunden, bevor er heute noch um die 2 Std. weiterfährt. Schliesslich kommt er nicht mehr hierher zurück.
Wir wackeln langsam zu Eneli zurück. Bei einer Rast wird der Fehler gemacht, zu schauen wie lange der Weg noch ist. ZU LANG! Aber wir müssen ja! Mit einigen Mühen wird es geschafft. Zurück zum Campground. Der hat noch Platz. Heute fahren wir keinen Meter weiter als bis dahin, wird einstimmig beschlossen. Angekommen und hingesetzt zischt jeder erst einmal ein eiskaltes Bier herunter. «Ahh, das tut gut!» Nach dieser Erfrischung erfrischen wir uns äusserlich und gönnen uns eine heisse Duschi.
«Das waren heute schon etwas mehr als 20 km, die wir da gewandert sind», meint Ma als sie auf ihre Uhr schaut und das alles nochmals anhand der Karte nachverfolgt.
Plötzlich steht Michel wieder neben uns. Er ist auch zu erschöpft, heute noch weiterzufahren. Die Einladung zum Znacht erfolgt sofort. Er will noch in einen Pool am Fluss springen. In 40 min steht das Znacht auf dem Tisch. Dann ist er wieder da meint er.
Als es dunkel wird, können JoMa ihren Hunger nicht mehr länger zähmen. Als wir so gut wie fertig sind, kommt Michel. Er hat beim Rock Pool 4 Jungs aus Deutschland getroffen, die etwas hilf- und mittellos sind und er hat sich angeboten zu helfen.
Scheinbar ist das nicht so einfach. Es dauert und dauert…
Als Jo den Abwasch erledigt hat, stossen wir endlich mit Michel auf ein Bier an. Hungrig macht er sich über die köstlichen G’Schwellti mit Käse und Salat her. G’Schwellti sind einfach gekochte Kartoffeln mit eben Käse in verschiedenen Variationen und Salat.
Die Jungs, denen er helfen wollte, waren wohl «etwas sehr abgebrannt». Die Gebühr für 3 zusätzliche Personen auf Michels Campsite war ihnen dann doch zu teuer. Sie fuhren weiter und schauten nach was anderem. Gestern hatte einer von Ihnen einfach mit seiner Luftmatratze auf dem Autodach geschlafen. Einfach auf allem Gepäck und so… Es wurmt Michel, dass er den Jungs nicht helfen konnte. «Hätte ich doch nur…», meint er immer wieder.
Michel erzählt über seine 5 Jahre hier in Australien. Er ist ein gläubiger Christ der Pfingstgemeinde. Er erzählt uns, wie er zum Glauben gefunden habe und über sein Theologiestudium in Australien. Er fühlt sich berufen, wieder nach Deutschland zurückzukehren. Was und wo weiss er noch nicht so genau. Aber Gott wird ihm den Weg schon weisen. Sein walisischer Nachname kommt von seinem Grossvater, der in seiner Jungend von Wales nach Berlin ausgewandert ist. Lustige Geschichten seines Grossvaters gibt es viele. Er war die familiäre Initialzündung, warum auch sein Vater zum Glauben gefunden hat. In seiner Jungend gehörte sein Grossvater zu einer «Gang», wie man sie sich vorstellen kann. Prügelleien, kleine krumme Dinger und jede Menge Alkohol und Zigis. Der beste Freund seines Grossvaters hatte völlig unverhofft den Weg zum Glauben gefunden. Nach etwas Zeit und einer Eingebung, fand auch sein Grossvater den Glauben. So hat er nochmals die Kurve bekommen, bevor es ganz schlimm wurde. Leider ist dieser Grossvater vor kurzen verstorben. Doch Michel hat zum Glück schon vor einiger Zeit angefangen, all die Geschichten aufzuschreiben. So wird sich beim Znacht über Gott und die Welt unterhalten.
Müde krabbeln wir alle drei in unsere Heihabettchen. Wobei das bei Michel eher Zelt und Schlafsack ist.
Morgen geht es nicht so spät los. Wir werden versuchen, die heute angedachte Etappe zu kompensieren.
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