Als Jo heute morgen aus dem Fenster schaut, sieht er, dass der Nam Ou River Tiefwasser hat. Da haben die chinesischen Betreiber des Staudamms einfach den Wasserhahn zugedreht. Für die heutige Bootsfahrt bis dorthin wird es wohl hoffentlich reichen. Schliesslich haben die Boote keinen grossen Tiefgang…
Das Boot geht erst um 12.30 Uhr, so bleibt uns noch genügend Zeit für ein Zmorge. Heute gehen wir zu Dror, der als Israeli das Delilah führt, wo es hier in Muang Noy den besten Kuchen gibt, wenn es denn welchen hat. Gestern gab es keinen, weil irgend etwas nicht klappte (kein Strom, kein Gas, keine Bäckerin da…?). Unser «Ich-werde-endlich-wach-Kafi» wird uns gleich serviert. Das Zmorge lässt auf sich warten. Die Ladies aus der Küche sind noch nicht da und wir hätten doch sicherlich genügend Zeit mitgebracht, werden wir gefragt. Ja, das haben wir. Als sich die tiefen Wolken verzogen haben, wird es wieder angenehm warm. So lässt es sich gut auf das Zmorge warten. Jo bestellt sich noch ein Käse-Ei Baguette für die lange Bootsfahrt – schliesslich gibt es keine Essenspause. Dass Dror Israeli ist erklärt, dass hier vieles in hebräisch angeschrieben ist; er bewirtet auch entsprechend viele Landsleute als Gäste.
Irgendwie schade, wir wären alle gerne noch etwas länger in Muang Noy geblieben. Das Dorf und die Umgebung haben ein ganz spezielles Flair.
Pünktlich, wie die Schweizer so sind, setzen wir uns zur angegebenen Zeit im « Office-, Warte- und Besprechungshaus» auf die Bambusbank, um auf das Boot zu warten. Während dieser Zeit erzählt uns der Inhaber, dass es hier überall noch Bomben und Granaten aus dem Vietnamkrieg im Boden liegen. Er war 15 Jahre alt, als der Krieg begann. Er verlor seinen Vater, der als einfacher Soldat diente. Er versteckte sich die ganze Zeit des Krieges (7 Jahre) mit seiner Mutter und seiner Schwester in einer der umliegenden Höhlen. Sie lebten tief in der Dunkelheit, um ja nicht aufzufallen. Nur nachts hätten sie sich nach draussen getraut…
Das Boot lässt etwas auf sich warten. Mit einer kleinen laotischen Verspätung von 1 Stunde kommt es in Muang Noy an. Zu unserer Verwunderung ist es schon voll besetzt mit 15 Fahrgästen und ihrem Gepäck. Wiederum auf laotisch, wird auch hier eine Lösung gefunden: Zusammenrücken! Das Boot nach dem Staudamm, nach ca. einer Stunde Fahrt, wird hoffentlich etwas grösser sein und dies ist nur das «kleinere Taxi-Boot» zum Umsteigeanleger. So quetschen wir uns mit unserem Gepäck auch noch hinein um auf der schmalen, harten und tiefen Holzsitzbank unseren Platz zu finden. Es kommen noch 2 weitere Passagiere, die hinten beim laut knatternden Motor und dem Gepäck ihre Plätze zugewiesen bekommen. Ein- und Aussteigen sind immer sehr wackelige Momente. Die Boote schaukeln und neigen sich im bedenklichen Masse, die immer wieder angstvolle Schreie auslösen. Heute ist es nicht anders… Und doch geht es schnell, bis das Boot ablegen kann.
Nach einer Stunde auf dem Fluss kommt der Staudamm in Sicht. Er ist hier in dieser grünen und friedlichen Landschaft ein eindrückliches modernes Industriebauwerk mit angeschlossenem Kraftwerk. Dann wieder diese Schaukelprozedur. Zwei Fahrgäste laden das Gepäck aus, während der Bootsführer das Boot längsseits festhält. Manche der Fahrgäste schauen dem Schauspiel zu, als seien sie nicht Teil dieser Fahrgemeinschaft, gerade so, als würden sie noch auf Kofferträger warten…
Eine nur kurze Tuk-Tuk Fahrt von wenigen Minuten führt auf einer staubigen Strasse am Staudamm vorbei. Nach, oder vor dem Staudamm, je nach dem von welcher Seite man es betrachten mag, präsentiert sich der Nam Ou River als breiter, fast stillstehender, gestauter Fluss. Nicht mehr mit dem Fluss vergleichbar, den wir noch vorher befahren haben.
Überraschenderweise ist auch das hier auf uns wartende Boot nicht grösser und komfortabler als das vorherige. Wenn die ganze Bootsfahrt 6-7 Stunden dauert, stehen uns noch gut 5 unbequeme Stunden bevor. JoMa finden ihre Plätze, im Gegensatz zu Torsten, weiter hinten nahe dem laut knatternden Bootsmotor.
Der Nam Ou River schlängelt sich durch die eine immer ähnlich aussehende, schöne grüne Landschaft. Irgendwie findet jeder hier im Boot seinen Platz. Die meisten lesen in ihren e-Readern oder haben sich ihre Kopfhörer ausgesetzt. Ma geht es immer noch nicht so gut. Teilweise liest auch sie in ihrem elektronischen Buch, teilweise legt sie ihr Haupt auf ihre verschränkten Arme, wobei sie nicht gerade glücklich und zufrieden aussieht. Jo hört ein Hörbuch über seine neuen, von Torsten aus Deutschland mitgebrachten Kopfhörer. So fliessen die Stunden, wie der Fluss, zäh dahin, nur unterbrochen von zwei kurzen Anlegepausen, bei denen laotische Familien in ihre Dörfer gehen.
Als die Dunkelheit hereinbricht, legt unser Boot endlich in Muang Khua an. Schnell leert sich das Boot. Alle strömen müde und steifbeinig die steile Zufahrt in die Stadt hinauf. Schon auf den wenigen Metern merken wir, dass Muang Khua ein ganz anderes Flair hat als das kleine Muang Noy. Irgendwie hatten wir dies anders erwartet. Wir dachten, dass es auch eine fröhliche kleine Touristenortschaft sei.
Unsere Unterkunft, das Chaleunsouk Guesthouse, scheint sehr beliebt zu sein – kein Wunder, wird es doch in den Guidebooks und auf Google als beste Unterkunft vor Ort gehandelt. Hier treffen wir auf die meisten unserer Bootfahrts-Leidensgenossen wieder. Gut, dass wir schon vor ein paar Tagen, in Luang Prabang, reserviert haben. Jo fragt unsere Landlady, wie tief er denn für die beiden Übernachtungen in die Hosentasche greifen darf. Sie tippt 400’000 KIP in ihren Taschenrechner ein, was 10 CHF pro Nacht und Zimmer entspricht. Ja, wo gibt’s denn so etwas noch? Das Zimmer ist sehr sauber, gepflegt und hat sogar Aussicht und einen Balkon zum Fluss. Toll!
Nach 10 Minuten treffen wir uns vor dem Hoteleingang wieder, um uns eine Restaurant-Empfehlung geben zu lassen. Nicht weit von hier ist das Sabaidee, ein laotisches Resti, das von einem Franzosen geführt wird. Kaum sitzen wir, werden wir auch schon mit alter 70er Jahre Disco Musik von Boney M empfangen. In diesem Stil geht es während des Essens weiter. Torsten weigert sich standhaft, mit Jo eine kesse Sohle auf Parkett hinzulegen.
Ma geht es immer noch nicht besser, schlotternd krabbelt sie später ins Heihabettchen.
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