Noch vor den Zmorge packt uns die Arbeitswut so sehr, dass wir schon ein paar Hausaufgaben machen. Schnell sind unsere Siebensachen nach dem Zmorge-Müesli gepackt und auf den Rollern verstaut (Ma findet Roller sei der passendere Ausdruck als Töffli, was in der Schweiz eher ein Mofa sei). Als wir wieder unterwegs sind, ist der Himmel noch grau und bedeckt. Jo hätte sich besser noch etwas Wärmeres angezogen. Dabei hat er es ja. So muss er die erste Hälfte der heutigen 100 km Etappe etwas frösteln, während Ma sich in ihre Daunenjacke eingemummelt hat. Bei einem kurzen Stopp zieht er auch etwas Wärmeres drunter. Er muss ja nicht den wilden Mann markieren. Wobei Mann mit 62 nicht mehr wild ist, aber auch nicht handzahm wie ein Teppichtiger. Irgendwie so etwas dazwischen… _:-)
Wie Jo unseren englischen Nachbarn prophezeit hat, scheint ab 11 Uhr die Sonne, so dass er nicht mehr zu frösteln braucht. Nach etwas knapp mehr als der Hälfte der Strecke fahren wir zu einer Kaffee- und Kuchenpause rechts ran. In diesem unscheinbaren Ort gibt es doch wirklich ein Café, wie man es hier nicht erwarten würde. Nicht nur, dass die beiden Damen sehr gutes Englisch sprechen, nein auch der Kaffee, in unserem Fall Cappuccino und Kaffee Latte, nebst dem Käsekuchen sind ein wahres Gedicht. Gemütlich, weil wir schon etwas mehr die Hälfte der heutigen Etappe hinter uns gebracht haben, lassen wir es uns hier gut gehen. Auf dem gut ausgebauten Highway, der nur wenig anspruchsvoll ist, haben wir den ersten Teil der heutigen Etappe recht einfach hinter uns gebracht. Während wir unseren Kaffee geniessen, bietet eine der Dorfbewohnerinnen kleine süsse und salzige Gebäcke feil – für 10 Bath, meint die Kaffeehausangestellte zu Ma. Da können wir einfach nicht widerstehen.
Nicht weit von unserem Pausen-Café entfernt, liegt eines der Dörfer der Padang – der «Giraffenhalsfrauen». Wir beschliessen, dass wir dieses Dorf der Minderheit der Padang nicht besuchen werden – wie wir auch schon einige andere, in unseren Augen etwas fragwürdigen Touristenattraktionen nicht besuchten. Interessieren würde es uns schon, aber sobald es um Menschen geht, ist der Grat zum Voyeurismus schmal. Hier die Gründe, weshalb wir diese eindeutige Ausbeutung nicht auch noch unterstützen wollen!
Die Padang, auch als Karen oder Padaung bekannt, sind eine ethnische Minderheit, die ursprünglich aus Myanmar stammt, aber heute auch in Nordthailand lebt. Sie sind vor allem durch ihre Tradition der „Langhalsfrauen“ bekannt, bei denen Frauen Messingringe um ihren Hals tragen, um diesen optisch zu verlängern. In den späten 1980er Jahren wurde in der angrenzenden nordthailändischen Provinz Mae Hong Song das erste „Long Neck“-Schaudorf eröffnet. Den Frauen, die es bezogen, schien ein Leben im Freilichtmuseum sinnvoller, als untätig in einem UN-Flüchtlingslager auf das Ende des Konflikts in Myanmar zu hoffen. Das Tourismusprojekt wurde ein Renner, und bald entstanden zwei weitere Dörfer in Grenznähe. Der Alltag der Frauen ist jedoch trist. Sie verkaufen ihr Konterfei auf Postkarten, weben, bieten Souvenirs feil und leiden nicht nur darunter, dass sie die Dörfer nicht verlassen dürfen. Zwar sind sie seit jeher an neugierige Blicke gewöhnt, auch das Klicken der Kameras macht ihnen nichts aus, oft müssen sie aber hinnehmen, dass ihre Privatsphäre verletzt wird. Dafür sorgen Aufpasser, die die zahlende Kundschaft zufriedenstellen wollen: Für ein Eintrittsgeld von 250 Baht (ca. 5 Euro) pro Person führen sie die Frauen gelegentlich vor und öffnen sogar die Rückenteile ihrer Blusen, um die hängenden Schultern zu demonstrieren. Die Ehemänner legen keinen Protest ein. Sie treten in den Schaudörfern nur am Rand in Erscheinung und leiden unter den sozialen Umwälzungen. Seit die Frauen mit ihrem Einkommen für die Familien sorgen, ist die Rolle der ehemaligen Familienoberhäupter ins Wanken geraten: Sie verrichten Arbeiten, die früher Frauen erledigten, oder vertreiben sich die Zeit mit Spielen und Trinken. Der Wunsch, eines Tages nach Myanmar zurückzukehren, sofern es die politische Lage wieder erlaubt, ist unter Männern und Frauen gleichermassen vorhanden. |
Was wir auch nicht mehr unterstützen werden, sind Elefanten-Pflege-Camps; insbesondere, wenn sie einen Ritt auf den Elefanten als den Höhepunkt der Tour anbieten.
Nach unserer Pause wird der Highway eindeutig kurviger, ist allerdings immer noch elegant befahrbar. Wir scheinen mit unserer Roller-Tour viel Glück zu haben. Zum einen ist uns das Wetter hold, zum anderen hat es wirklich nicht viel Verkehr auf den Strassen.
Am frühen Nachmittag fahren wir vor unserem heutigen Ziel dem Khunyuam Resort vor. Es ist zwar etwas abgelegen, aber mit wunderschöner Aussicht über die Hügel und Felder. Unser helles und geräumiges Dreibettzimmer bietet uns einen weiten Blick auf die umliegende Landschaft.
Was seinen Husten betrifft geht es Jo wieder etwas besser. Nur Ma leider überhaupt nicht. Sie muss eine Kopfwehtablette nehmen und sich etwas hinlegen. Leider müssen wir zum Znacht ein paar Kilometer weit ins Dorf reinfahren. Wir warten ab, wie es Ma später gehen wird.
Sie legt sich etwas hin. Um halb sechs ist es noch hell, als wir zum Znacht aufbrechen. Am Ortsrand hat Ma mit Dad’s Garden ein schön gelegenes Restaurant gefunden. Von der grossen hölzernen Terrasse aus haben wir einen weiten Blick auf die umliegenden Reisfelder (die jetzt brach da liegen oder neu mit Zwiebeln oder Bohnen bepflanzt wurden) und Natur. Als Jo’s stirr fried Vegetables mit Reis aufgetischt werden, sieht er ausser vielen Zitronengrasblättern eine Unmenge an Chillischoten zwischen seinem Gemüse. Jo will keinen Heldentot sterben, in dem er sich damit den Magen verbrennt! So pflückt er fein penibel alle Chillischoten aus dem Znacht heraus. Es ist auch so genügend spicy, sprich scharf genug. Als die ersten Mücken über uns hereinbrechen sind wir mit allem fertig und auch schon bald wieder auf dem Rückweg.
Morgen ist unsere Etappe mit etwas mehr, oder weniger als 70 km Wegstrecke die kürzeste auf der gesamten bisherigen Rundstrecke.
Torsten Schink
Danke für den sehr interessanten Einblick zur Situation der Padang.