«Nicht schon wieder», mag sich Ma beim Zmorge gedacht haben, als Jo die allein am Nebentisch sitzende junge Julia anspricht. Wir haben sie schon vor drei Tagen hier das erste Mal gesehen. Die ersten drei Sätze werden noch in Englisch gewechselt, bevor es dann in Schwiizertütsch weiter geht. Julia kommt aus Baselland und ist schon öfter nach Bali gereist. Ihr erster Besuch war eher eine Verlegenheitslösung, die sich dann bei ihr zu einer wahren Bali-Liebe entwickelt hat. Sie arbeitet als Teilzeitangestellte in verschiedenen Spitälern im Operationssaal. Da sie die Stelle öfter wechselt, merkt sie immer mehr, wie sehr sich die Arbeiten in den Spitälern verändert hat – und das nicht unbedingt zum Besseren hin. Sie als Teilzeitlerin kann sich nach anstrengenden Monaten immer wieder eine Auszeit mit ausgedehnten Ferien gönnen. Bei Festangestellten ist dies so nicht möglich. Noch wohnt sie bei ihren Eltern und spart dadurch einiges an Wohnkosten, die sie in «Ferienkosten» umsetzt ;-). Sie weiss auch dass sie privilegiert ist, aber dass diese Arbeitsweise nicht zukunftsträchtig ist. Sie zahlt in keine Pensionskasse ein und wenn sie nicht arbeitet, ist sie auch nicht krankenversichert. Ausserdem kommt es immer wieder zu Spannungen mit den Festangestellten, die im Gegensatz zu ihr auch Nacht- und Wochenend-Dienste schieben müssen und auch noch etwas weniger als sie verdienen. Aber jetzt ist sie noch jung und geniesst ihre Reisen.
Wir schwingen uns etwas später auf unsere ausgeliehenen Roller, um heute die 20 km entfernte grosse Besakih-Tempelanlage zu besuchen. Die kleine kurvenreiche Strasse, die mehr bergauf als bergab geht, ist ganz nach unserem Geschmack. Mit so etwas kennen wir uns nun bestens aus 😉
Die Landschaft ist abwechslungsreich und immer wieder sehen wir faszinierende kleine Reisfelder, die gerade frisch bepflanzt worden sind – Ma kann manchmal kaum aufhören zu fotografieren…
An der Zufahrt zum Besakih Tempel werden wir angewiesen, das erste Parkhaus rechts anzusteuern. Als wir ankommen, wissen wir auch um den Grund. Dieses ist ausschliesslich für Roller, bzw. Motorräder gebaut. An den schmalen Schranken kommt kein Auto durch. Das ist doch jetzt mal eine feine Sache. Vor einer Woche als die grosse Zeremonie noch im Gang war, war hier alles bis auf den letzten Stellplatz ausgefüllt. Jetzt stehen nur einige wenige Roller auf dem Parkdeck.
Im Eintrittspreis inbegriffen sind ein Sarong (wir hätten unsere eigenen nicht mitbringen brauchen) und ein Guide. Mit einem kleinen Elektroshuttle geht’s noch ein paar Meter hinauf bis vor den eigentlichen Tempeleingang. Made, unser junger, gut englischsprechender Guide, ist uns gleich sympathisch. Schliesslich ist «Madi» Madeleines Spitzname bei einigen alten Freunden ;-). Sein Name Made zeigt uns auch an, dass er der Zweitgeborene in seiner Familie ist.
Der Besakih-Tempel (Pura Besakih) ist der grösste und heiligste Tempel auf Bali. Er liegt am Hang des Vulkans Gunung Agung, der auch gleichzeitig mit 3’142 m Balis höchster Berg ist, auf etwa 1000 m Höhe und wird oft als «Muttertempel» von Bali bezeichnet. Die Anlage besteht aus über 80 einzelnen Tempeln, darunter der zentrale Pura Penataran Agung, der mit seinen ersichtlichen 11 Stufen den höchsten Stellenwert hat. Die Ursprünge des Tempels reichen bis ins 8. Jahrhundert zurück, als ein hinduistischer Priester namens Rsi Markandeya diesen Ort als heilig erkannte. Im Tempel werden die drei Hauptgötter des Hinduismus: Shiva, Vishnu und Brahma durch unterschiedliche Schreine dargestellt. Besakih ist ein Zentrum religiöser Zeremonien, besonders bei grossen Festen wie dem Eka Dasa Rudra, das 42 Tage dauert und nur alle 100 Jahre stattfindet. Der Tempel überlebte 1963 einen verehrenden Ausbruch des Gunung Agung, was als göttliches Zeichen angesehen wurde. Im Hinduismus gibt es eine göttliche Dreieinigkeit (Trimurti), bestehend aus:
Zusammen verkörpern sie den ewigen Kreislauf von Schöpfung, Erhaltung und Zerstörung. |
Made nimmt sich viel Zeit für unsere Führung. Jetzt ist Nebensaison, so hat er genügend davon. In der Hauptsaison stehen 330 Guides den Touristen zur Verfügung. Nach knapp 2 Stunden verabschieden wir uns von Made. Unseren kleinen Mittagshunger stillen wir mit leichter Kost. Schliesslich sind wir noch mit Marc und Alissia zum Znacht verabredet. Ausserdem möchten wir uns in der kleinen Gelateria gegenüber unserer Unterkunft noch mit einem kleinen Glacé verwöhnen.
Auf halbem Rückweg müssen wir in der kleinen Ortschaft Tembuku wegen einer Strassensperrung einen kurzen Bogen fahren. Am Bogen halten wir kurz suchend an, um die richtige Richtung zu erkunden. Ein freundlicher älterer Herr weist uns den Weg und verwickelt uns in eine kurze Plauderei. Er war vor vielen Jahren zu einem Besuch in der Schweiz und hatte auch jahrelang einen Schweizer Freund, der jedoch leider vor einigen Jahren verstorben ist. Er selber ist 84 Jahre alt und war bis zu seiner Pensionierung als Primarschullehrer tätig. Sein Name sei Surata. Ma glaubt, dass er recht einsam sei, da er hier doch am Strassenrand stehe, um Touristen zum Reden zu finden.
Bereitwillig nehmen wir seine Einladung zu sich nach Hause an. Er spendiert uns etwas zu Naschen und eine Flasche Wasser zu trinken. Er hat einige Fotokopien in der er uns einfache Grundbegriffe und Zusammenhänge der balinesischen Sprache erklärt – ganz der Lehrer! Auf kleinen Palmblätterstücken ritzt er mit einem Messer unsere Namen ein. Nach einigen Minuten zeigt er uns kleinere handgefertigte Darstellungen, die wie Leporellos im zick-zack zusammengefaltet werden können. Für 15 Euro, was etwas mehr 250’000 Rupien entspricht, könnten wir eines erwerben. Auch legt er uns einen zweiten Leporello doch sehr ans Herz. Jo hat es schon etwas im Gespür, dass es so auskommen könnte… Als wir ihm sagen, dass wir beide nicht kaufen werden, ihm aber als Dank für die kleine Lese- und Rechtschreiblektion eine Spende überreichen möchten, wird er etwas ärgerlich und ungehalten. «Wir wären doch schliesslich reiche Schweizer Touristen, die sich das doch leicht leisten können», meint er. Jo glaubt, sich verhört zu haben. Ihm fallen tausend Dinge ein, die er am liebsten erwidern würde. Doch wir beide machen uns lieber auf den Weg und lassen den nun verhärmten alten Mann allein zurück. Er dachte wohl, uns mit seiner zuerst freundlichen Art einlullen zu können, was anscheinend bei vielen Touristen bisher auch funktionierte. Schliesslich wirkte der Ablauf der «Schulstunde» schon recht einstudiert. Die «Masche» ist legitim und einen Versuch wert. Was wir nicht verstehen können, ist seine Ungehaltenheit, als wir nichts kaufen wollen. Dies ist für uns sehr ungewohnt in dieser ansonsten so friedvollen und gelassenen Kultur. Schade, dass man so das Vertrauen verliert.
Auf diesen Ärger müssen wir uns einfach mit einem Glacé über den Ärger hinweg trösten. De Gus, der junge Angestellte, möchte von viel über die Schweiz erfahren. Schliesslich ist er in seinen jungen Jahren noch nicht viel über Sidemen hinausgekommen. Damit ist er natürlich bei Jo an der richtigen Adresse 😉 Als sich Jo nach einer guten Stunde den Mund fusselig geredet hat und wir uns noch vor dem Znacht mit Marc und Alissia duschen möchten, verabschieden wir uns mit dem Versprechen, morgen nochmals vorbeizuschauen. Dann möchte Jo so einen kunstvollen Eigenkreation-Sahneschaum Moccachino geniessen.
Vor dem Znacht sind wir mit den Marc und Alissia im Restaurant Dineora mit der herrlichen Aussicht auf den Gunung Agung auf ein kaltes Bier verabredet. Im folgenden, kleinen, auf Vegi-Kost spezialisierten Restaurant, sind wir glatt die einzigen Gäste. Erst als schon alle Tische abgeräumt sind, alle Sitzkissen eingesammelt und schon so mancher Laden geschlossen ist, verabschieden wir uns. Vielleicht sehen wir uns morgen nochmals, bevor sich unsere Wege wieder trennen?
Torsten Schink
Da hat doch Herr Surata zuviel Shiva im Blut und dann GUS wieder Brahma oder wie kommt die Kraft zustande mit der er die Eigenkreation-Sahneschaum Moccachinos für Jo schafft. Jo ist definitiv mit Vishnus Kraft der Kommunikation zum Aufrecht erhalten der Kontakte gesegnet. Shanti Ohm Shanti !