Lehrreiche Taxifahrt nach West-Bali

Veröffentlicht in: Asien, Indonesien | 0

Als wir heute morgen aufwachen, haben wir das Gefühl, dass es die ganze Nacht hindurch weiter geregnet hat. Ausserdem hat immer wieder starker Wind geweht. «Bei uns zu Hause wäre es bei diesem vielen Regen längst zu Überschwemmungen gekommen», denkt sich Ma.

 

«Oh, das wird aber ein heisses Abenteuer», ruft Ma aus, als sie sich den Wetterbericht von Pejakaran, unserem nächsten Ziel in West-Bali, anschaut. Dort sind es tagsüber schnuckelige 33 °C, während es in der Nacht auf ebenso schnuckelige 26 °C «abkühlen» soll. Schnell schaut sie nach, ob unsere Unterkunft auch über eine Klimaanlage verfügt. Ja, hat sie. Uff, da sind wir erleichtert.

Als wir parat zur Abreise sind, bekommt Ma von unserem Fahrer die Nachricht, dass er wegen umgestürzter Bäume, die die Strasse versperren, erst so gegen 11 Uhr kommen kann. Der Sturm letzte Nacht scheint doch recht heftig gewesen zu sein.

Jo nutzt die gewonnene Zeit, um etwas Morgengymnastik zu machen. Besonders die Beweglichkeit seiner Beine, Knie und Sprunggelenke möchte er nicht noch weiter einbüssen. Er merkt schon, dass er nicht mehr es junges Rehli ist…

Zum Abschied kommt unser Gastgeber Made («Madi» gesprochen) extra für uns von einer Zeremonie kurz zur Unterkunft zurück.

In Bali erfolgt die Namensgebung nach der Reihenfolge der Geburt. Es sind Namen für vier Kinder vorgesehen, falls mehr Kinder geboren werden, geht es wieder von vorne los. Die Namen sagen in Bali viel über die soziale Stellung und die Stellung innerhalb der Familie aus.

  1. Die erstgeborenen Kinder werden Wayan (oder Putu oder Gede) genannt.
  2. Die Namen der zweitgeborenen Kinder lauten Made (oder Kadek oder Nengah).
  3. Das Drittgeborene Kind erhält entweder den Namen Nyoman (oder Komang).
  4. Viertgeborene Kinder werden Ketut genannt.

Bei der traditionellen Namensvergabe wird das Geschlecht des Kindes nicht berücksichtig. Das bedeutet, die oben genannten Namen können sowohl für Männer als auch für Frauen sein.

Ab dem fünften Kind geht die Namensvergabe wieder von neuem los, d.h. die Balinesen vergeben wieder Namen für erstgeborene Kinder. Es werden auch die ungeborenen Kinder der Frau mitgezählt.

Auf Bali wohnen oft drei bis vier Generationen einer Familie unter einem Dach. Traditionsgemäss zieht die Frau nach der Heirat zur Familie des Ehemannes. Kinder sind in den Ablauf des täglichen Lebens voll integriert, es gibt für sie keine Tabus. Die Kleinen werden mit sehr viel Nachsicht behandelt.

In der Erwachsenenwelt gibt es dafür um so mehr Regeln und Konventionen. Beispielsweise essen Männer und Frauen nicht gemeinsam, auch nicht, wenn Gäste kommen. Die Frau kocht und nimmt dann das Essen zusammen mit ihren Kindern ein. Frauen spielen auf Bali vor allem im Geschäftsleben eine entscheidende Rolle, sie regeln alle Geldfragen und führen die Markt- und Imbissstände. Oft sieht man Frauen zum Beispiel bei Haus- oder Strassenbauarbeiten schwere Körbe mit Kies transportieren. Auch bei der Reisernte sieht man in Überzahl die Frauen arbeiten, sie schlagen das Korn vom Halm, während die Männer mit dem Ochsen pflügen oder die kleinen Reispflanzen auf den Feldern einsetzen.

Männer organisieren das Dorfleben und gehören dem Nachbarschaftsverband Banjar an, der den sozialen Mittelpunkt des Dorfes darstellt – je nach Grösse kann ein Dorf auch aus mehreren Banjar bestehen. Sie treffen sich in der Versammlungshalle zu Gesprächen und zu einem Nickerchen, regeln Streitigkeiten und Familienprobleme und beratschlagen die Vergabe von Krediten aus der Banjar-Kasse.

Unser heutiger Fahrer heisst Wayan, ein Erstgeborener 😉 Weil es schon öfters zu Verwechselungen kam, hat er für sich noch den Namen Radi angefügt. Für eine hinduistische Familie gibt es nichts stärkeres als Familienbande. Da bleibt kein grosser Freiraum für Individualität. Wollen sie auch nicht. So ist es z.B. Tradition, dass der jüngste Sohn sein Leben bei den Eltern verbringt und im Alter für diese sorgt. Er selber habe 3 Töchter die später alle das Haus verlassen werden, meint Wayan Radi. Ihn stimmt dies schon recht nachdenklich. Er weiss nicht, wer für ihn und seine Frau im Alter sorgen wird.

Wir lauschen gespannt. Er erzählt uns einiges aus seiner Familie. Von Beruf ist er Bauer. In West-Bali wird kein Reis angebaut, dafür hätte es zu wenig Wasser. Im Moment baut er vor allem Mais an. Wenn gerade keine Erntezeit ist und im Hof nicht so viel zu tun ist (oder sich eine Gelegenheit bietet), arbeitet er auch sehr gerne als Fahrer. Hiermit ist im Verhältnis zum normalen Verdienst recht viel und relativ einfach Geld zu verdienen.

Wobei Balinesen über keine Reichtümer verfügen. Egal wie alt sie werden und wie hart sie auch arbeiten. Kaum konnte etwas Geld beiseitegelegt werden, gibt es in den Familien eine Zeremonie mit entsprechender Opfergabe zu zelebrieren. Geburtstage, religiöse Feiertage, Hochzeiten, Geburten, 100., 200. Lebenstag des Kindes, 7 Monate nach der Geburt, etc. Auch wenn so niemals Geld für Ferien oder anderes zusammenkommt, ist der Glaube, im hier und jetzt etwas Gutes zu tun und im späteren Leben deswegen ein besseres, glücklicheres Leben zu erwirken, wichtiger als im jetzigen Leben materielle Reichtümer zu erlangen. Die Erziehung der Balinesen verurteilt im allgemeinen Habgier, materialistisches Streben sowie Selbstsucht und stellt Zurückhaltung, Bescheidenheit, Demut, Grosszügigkeit und Selbstlosigkeit allem voran.

Über all diese spannenden Erzählungen und Einblicke in die balinesische Kultur vergeht für JoMa die Zeit wie im Fluge. Nach etwas mehr als zwei Stunden steigen wir nach dem Mittag vor unserer Unterkunft im Menjangan Sari Homestay aus. Kaum sind wir angekommen, ist Wayan Radi auch schon wieder weg. Wayan, welch ein Zufall ;-), unser neuer Gastgeber, spricht nicht gut Englisch. Wir verstehen nur soviel, dass das Restaurant hier geschlossen ist und es bis zum nächsten Restaurant gut 20 min. zu Fuss sind. Er kann uns auch nicht den kleinsten Cracker oder sonstigen Snack anbieten. Der Hunger treibt uns an, wir schnüren die Latschen…

Mo_20250209__img_9209
Mo_20250209__img_9210
Mo_20250209__img_9208
Mo_20250209__img_9217
Mo_20250209__img_9213
Mo_20250210__img_9225
Mo_20250209__dsc03840
Mo_20250209__img_9220
Mo_20250209__img_9215
Mo_20250209__img_9222
previous arrow
next arrow
 

 

Das einzig Gute im Gegensatz zu gestern ist, dass es hier flach und nicht schlüpfrig ist. Unser Weg zum nächsten Resti führt uns auf einem schmalen asphaltierten Weg durch viele kleinere Felder hindurch. Weil das nötige (Regen-)Wasser fehlt, wird hier kein Reis angebaut. Dafür sehen wir Weinreben, Maisfelder, kleine Bauernhöfe mit Kühen, Hühnern und Schweinen. Und auch viele weitere Guesthouses. Doch wie so oft in den letzten Tagen sind wir auch heute wieder die einzigen Gäste, nicht nur in unserer Unterkunft, wir sehen auch sonst keine weiteren Gäste oder Touristen unterwegs.

Als wir nach den angegebenen 20 min. vor dem Restaurant stehen, müssen wir uns von der Inhaberin anhören, dass ihr gesamtes Personal heute wegen Krankheit abgesagt hat. So kann sie nicht öffnen. Wenn wir allerdings Schwein (Babi Guling) mögen, ist ein diesbezügliches Restaurant nur ein paar Schritte weiter die Strasse runter. Als uns dort die Tupperdosen geöffnet werden und wir dicke glänzende Speckschwarten sehen, beschliessen wir, noch weiter zu suchen. Jo sieht auf der anderen Strassenseite etwas, was sich allerdings als kein Resti entpuppt. Ein Fahrer hält neben uns und fragt wohin des Weges und wir fragen zurück, ob er ein Restaurant in der Nähe kenne… Auf seinem Weg liegt ein kleines Restaurant für Nasi Goreng (gebratenen Reis), dass auch geöffnet ist. Es ist jetzt nicht überragend, aber OK. Für ein Werbefoto mit uns bekommen wir auch einen Spezialpreis 😉 Es ist gerade neu eröffnet und daher muss noch die Werbetrommel gerührt werden. Uns soll es recht sein.

Wieder in unserem Homestay angekommen würden wir eigentlich gerne das Zimmer wechseln. In der oberen Etage hätten wir einen schöneren Ausblick als nur auf die Grundstücksmauer. Es gibt sprachlich etwas schwierige Verhandlungen mit Wayan, der nicht verstehen kann, dass wir bei diesem starken Wind im oberen Zimmer allenfalls eine scheppernde Tür in Kauf nehmen würden. Als wir im klarmachen können, dass wir dieses Risiko eingehen, muss er erst mit einem «Freund» telefonieren. Auch wenn für alle ca. 7 Zimmer ein Einheitspreis ausgeschrieben ist, heisst es jetzt, dass wir etwas drauflegen müssen. Es ist jetzt nicht viel und wir sagen zu, aber die Art und Weise – nicht gerade «feine balinesische Gastgeber-Art».

Eine Weile nach dem Zoom geben wir die Znacht-Bestellung auf. Ist zwar recht einfach, aber es dauert einfach… Selbst auf das kühle Bier muss eine Std. gewartet werden… Wir verstehen nicht ganz, wie es hier im «Homestay» funktioniert. Manchmal fährt Wayan mit seinem Roller weg, dann kommt er wieder und hat ein kühles Bier gekauft. Dann ruft er wieder «einen Freund» an und irgendwann kommt eine Köchin. Oder er fährt wieder weg und kommt mit dem bestellten Gericht zurück.

Abends um acht verabschiedet sich Wayan von uns. Er würde jetzt das Tor (ab-)schliessen und komme morgen um acht wieder. Schwupps und weg ist er. Und wir ganz allein auf dem Grundstück. Soviel zum «Homestay»…

«Ich glaube wir haben einen schwierigen Start erwischt», meint Ma dazu. Wobei sie nicht unrecht hat.

 

 

 

 

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert