Wie von göttlicher Zauberhand wurden schon während der Nacht die schweren, grauen und tiefhängenden Regenwolken beiseite geschoben. Als der Tag anbricht, strahlt die Sonne auch schon von hinten in unser kleines Zuhause hinein. Kein Vergleich mehr zu gestern.
Als unser Kaffeewasser kocht, kommen schon die ersten Mitcamper vom Sonnenaufgang am Uluru wieder zurück. Dies haben wir für morgen eingeplant. Dazu bekommen wir auch gleich eine Empfehlung, wo wir diesen etwas abseits des grössten Trubels geniessen können.
Als wir im Culture Center nachfragen, wie es denn mit den angebotenen Mietvelos aussieht und ob noch welche frei sind, bekommen wir die Antwort, dass wegen des Regens der letzten Tage die Parkranger die Wege für die Velotour nicht freigeben. Vielleicht morgen wieder. Wer weiss… Oh, damit haben wir nicht gerechnet. Was jetzt? Ma reserviert für morgen früh zwei Velos 😉
Ma hat gestern noch von einer knapp 4-stündigen Wanderung bei den Olgas gesprochen. Auch wenn der Weg dorthin mit gut 50 km recht weit ist, steuert Jo Eneli in diese Richtung. Er merkt, dass Ma heute nicht gerade vor Energie sprüht. Ihr ist es zuviel, jetzt schon wieder so viel fahren zu müssen und dann auch den ganzen Tag durch hetzen, um den Sonnenuntergang am Uluru nicht zu verpassen. Sie sei heute etwas reisemüde…
Also machen wir es so: Nach etwa 30 km, am «Dunes» Aussichtspunkt zu den Olgas, dort wo wir gestern schon waren, können wir diese heute ohne den Dunst der gestrigen Regenwolken bestaunen. Hier sehen wir ganz rechter Hand am Horizont sogar bis Uluru.
Dann kehren wir um und machen am Uluru ein paar kleinere Wanderungen. Von nahem ist sogar noch sichtbar, wo bis Oktober 2019 die Aufstiegsmöglichkeiten waren. Die Spuren sind deutlich zu erkennen.
Die erste Wanderung bei Mala geht bis zu einem Wasserloch. Deutlich sehen wir noch die Spuren des herunterlaufenden Wassers der letzten Tage – es hat richtige Wasserfall-Kaskaden gegeben. Glasklares Wasser füllt das Wasserloch. An manchen Stellen harren Frösche von Regenguss zu Regenguss im feuchten Schlamm aus, um dann in das frische Wasser ihre Eier abzulegen. Anschliessend fahren wir mit Eneli eine Runde ganz um den Uluru herum, um auch mal die Rückseite bestaunen zu dürfen. Es gibt einige Stellen, wo der Sandsteinfels nicht fotografiert werden soll – aus Respekt zu den Aborigines, für die gewisse Strukturen heilig sind und nur an Ort und Stelle betrachtet werden sollen.
Eine zweite Wanderung führt uns auf der anderen Seite nochmals zu Felszeichnungen und einer weiteren schönen Wasserstelle. Hier sehen wir auch, weshalb die Fahrradtour abgesagt wurde: Immer wieder müssen akrobatische Leistungen erbracht werden, um den grossen Pfützen auszuweichen.
Der Wandel vom Ayers Rock zum Uluru und was dies für die Aborigines bedeutet, und warum die Aborigines ein so einzigartiges Naturvolk sind Der Uluru ist ein heiliger Ort für die Anangu, ein Aborigine-Volk aus dem Zentrum Australiens. Für sie ist der Uluru kein blosser Felsen, sondern ein zentrales Element ihrer spirituellen Welt – der „Traumzeit“. In dieser mythologischen Schöpfungsgeschichte glauben die Aborigines, dass Ahnenwesen in der Traumzeit die Welt erschufen. Diese Wesen hinterliessen Spuren in der Landschaft – darunter auch Uluru. Der Felsen ist für sie also ein lebendiger Ort, der Geschichten, Gesetze und Identität bewahrt. Jede Spalte, jede Höhle hat eine spirituelle Bedeutung und ist Teil heiliger Zeremonien. Für die Anangu ist der Uluru ein heiliger Ort, vergleichbar mit einer Kirche oder einem Tempel. Lange Zeit war es Touristen erlaubt, den Uluru zu besteigen – das wurde von den Aborigines als tief respektlosempfunden. Seit dem 26. Oktober 2019 ist das Besteigen des Uluru offiziell verboten – ein grosser Erfolg für die lokale Bevölkerung. Uluru ist ein Ort, an dem die Verbindung zur Vergangenheit, zur Natur und zu den Ahnen besonders stark erlebt wird. Es gibt dort heilige Stätten, die nur bestimmten Gruppen zugänglich sind. Die Bedeutung des Uluru ist also religiös, kulturell und identitätsstiftend. Heute hat der Uluru eine doppelte Bedeutung: Er ist einerseits ein weltbekanntes Wahrzeichen Australiens und Touristenmagnet, andererseits ein heiliger Ort, der für die Aborigines enorme spirituelle Bedeutung hat. Diese beiden Perspektiven stehen manchmal im Spannungsfeld zueinander. Heute wird der Fokus auf respektvollen, kulturell sensiblen Tourismus gelegt: Besucher lernen etwas über die Traumzeit, Rituale und die Sprache der Anangu. Der Uluru ist heute mehr als nur eine Touristenattraktion – er ist Symbol für den Wandel im Umgang mit indigener Kultur in Australien. Der Fokus verschiebt sich von „nur anschauen“ hin zu „verstehen, respektieren und mit den Aborigines gemeinsam erleben“. Das macht den Besuch nicht nur schöner, sondern auch bedeutungsvoller.
Fast jede Landschaft in Australien ist für die jeweiligen Aborigine-Gruppen mit spiritueller Bedeutung aufgeladen – oft durch Traumzeit-Geschichten mit bestimmten Ahnenwesen verbunden. Hier sind einige wichtige Orte:
Es gibt keine zentrale Religion, sondern viele regionale Glaubenssysteme, die sich auf die jeweilige Landschaft beziehen. Daher ist der Schutz dieser Orte auch ein kultureller und spiritueller Akt.
Die Aussage, dass sich die Aborigines „nicht weiterentwickelt“ hätten, ist aus heutiger Sicht problematisch. Entwicklung misst sich nicht nur an Technologie oder Sesshaftigkeit. Die Aborigines lebten ohne Städte über mindestens 50’000 Jahre hinweg in einem extrem lebensfeindlichen Kontinent im Einklang mit der Natur einem ökologischen Gleichgewicht, aber mit hochkomplexem Wissen über Natur, Klima, Heilpflanzen und Navigation. Sie hatten ein komplexes System von mündlicher Überlieferung, spirituellen Gesetzen (Tjukurpa) und sozialen Strukturen und soziale Regeln, die das Überleben sicherten. Das ist eine andere Form von „Entwicklung“, nämlich kulturell und ökologisch intelligent. Sie wollten nicht dominieren oder verändern, sondern bewahren. Das steht im starken Gegensatz zu Kulturen wie den Römern, die Expansion, Macht und technische Beherrschung der Natur anstrebten. Australien ist eines der trockensten und lebensfeindlichsten Kontinente der Welt. Grosse Teile bestehen aus Wüste oder Halbwüste. Dort war es über Zehntausende Jahre nicht möglich, Ackerbau zu betreiben – zu wenig Wasser, zu schlechter Boden. Deshalb lebten die Aborigines als nomadische Jäger und Sammler. Sesshafte Kulturen entstehen meist nur dort, wo Menschen Landwirtschaft betreiben können, z. B. am Nil (Ägypten), am Tigris-Euphrat (Mesopotamien) oder am Mittelmeer (Römer). Im Gegensatz zu anderen Völkern brauchten die Aborigines keine Städte oder Waffen, um zu überleben – ihr Erfolg lag in der Nachhaltigkeit und im Respekt vor der Natur, nicht in technologischem Fortschritt. Sie wollten nicht dominieren oder verändern, sondern bewahren. Das steht im starken Gegensatz zu Kulturen wie den Römern, die Expansion, Macht und technische Beherrschung der Natur anstrebten. Obwohl Australien reich an Bodenschätzen ist, sind viele dieser Lager unterirdisch oder schwer zugänglich. Die Aborigines hatten keine Werkzeuge, um tief zu graben – und ihre Lebensweise erforderte es auch nicht. Zivilisationen wie Ägypten oder Rom hatten leichten Zugang zu Kupfer, Gold, Eisen und später Bronze, und entwickelten damit Waffen, Werkzeuge und Infrastruktur. Die Aborigines nutzten Stein, Holz und Knochen, weil das für ihren Alltag völlig ausreichte. Andere Völker wie die Ägypter entwickelten eine Schrift, weil sie Verwaltung, Handel, Steuerwesen und religiöse Texte organisieren mussten. Bei den Aborigines lief alles mündlich: Wissen wurde in Liedern, Tänzen und Erzählungen weitergegeben – eine orale Hochkultur. Auch medizinisches Wissen war vorhanden – etwa Pflanzenheilkunde oder Wundversorgung – nur eben nicht schriftlich dokumentiert. Die Aborigines entwickelten sich nicht „weniger weit“, sondern einfach anders – angepasst an eine völlig andere Umwelt und mit anderen kulturellen Zielen. Ihre Stärke lag nicht in Technik oder Baukunst, sondern in spiritueller Tiefe, Überlebenskunst und Nachhaltigkeit. Es ist also keine „mangelnde Entwicklung“, sondern eine andere Art von Intelligenz und Kultur, die leider lange unterschätzt wurde. |
Eigentlich bräuchten wir morgen keine Velotour mehr, aber stornieren geht leider von uns aus nicht. Doch vielleicht wird sie auch morgen nochmals abgesagt; die Ranger fahren morgens erst die Strecke mit ihren Autos ab und entscheiden dann. Zurück im Culture Center lernen wir noch etwas über das Leben, die Religion und die Kultur der hier lebenden Aborigines.
Noch vor dem Sonnenuntergang beim Aussichtspunkt können wir ja dort kochen und es uns schmecken lassen, danach noch einkaufen, tanken. Morgen Uluru und den Tag zum Sonnenaufgang begrüssen, hören wie es mit der Velotour aussieht und dann sehen wir ob wir erst die Velorunde machen, oder gleich weiter fahren werden.
Wir entscheiden uns, noch ein paar schöne Fotos mit kräftigen Farben in der Abendsonne zu machen, aber nicht mehr den Sonnenuntergang abzuwarten – Ma möchte gerne zurück zum Campground. Also sagen wir Uluru jetzt schon Ciao bis morgen, fahren zum Supermarkt, Tankstelle und dann zum Campground. Dort lassen wir wunderbar warmes Wasser über uns laufen und waschen uns den Staub der letzten Tage aus den Haaren. Ma zaubert, wie immer eigentlich, ein Gedicht von einem Znacht.
Diese Nacht wird kurz, der Wecker wird auf 5:30 Uhr gestellt.
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