Wie verabredet beginnt der heutige Tag um 5 Uhr. Borin, unser Fahrer, fährt mit uns durch das noch dunkle Siem Reap. Was aber nicht heissen soll, dass noch niemand auf den Strassen unterwegs ist: In der Kühle des morgens ist schon viel los und ausserdem sind wir nicht die Einzigen, die den Sonnenaufgang in Angkor Wat erleben möchten. Als wir in Angkor Wat ankommen, sollen wir einfach dem Menschenstrom folgen. Was wir auch machen.
Andächtig sitzen wir mit einigen hundert anderen Touristen und Guides vor dem Wassergraben der Tempelanlage und warten, dass die Sonne hervorkommt. Die Wartezeit vertreibt sich Jo mit etwas Small Talk mit anderen Touristen. Da der Sonnenaufgang etwas hinter Wolken verdeckt ist, machen wir uns auf den Weg, das sagenhafte Angkor Wat zu erkunden. Diese Tempelanlagen sind viel mächtiger, als wir uns das vorstellten. Die einzelnen Tempelanlagen liegen teilweise kilometerlang auseinander. Was von aussen mächtig und beeindruckend erscheint, kommt von innen eher klein, fast winzig daher. Jedenfalls immer sehr dunkel!
Borin, unser Fahrer, weiss genau wo er uns absetzen muss und wo er uns wieder gut abholen kann.
Angkor Wat und das Khmerreich Im 10. Jahrhundert wurden von 889-910 unter Yasovarman I zahlreiche Bewässerungs-anlagen und Stauseen angelegt, die unter anderem dazu beitrugen, dass mehrmals im Jahr Reis geerntet werden konnte. Diese erfolgreiche Landwirtschaft führte zu Nahrungsüberschüssen und brachte dem Khmer-Reich grossen Reichtum. So kam es, dass das südlich von China gelegene Land zu einem regionalen Machtzentrum Südostasiens wurde und die Khmer in der Lage waren, grosse Städte und gewaltige Tempelanlagen zu errichten. Im Jahr 1113 bestieg König Suryavarman II. den Thron und regierte bis etwa 1150. In mehreren Kriegszügen baute er die Macht von Angkor Wat gegen die benachbarten Cham, gegen Đại Việt und das Mon-Königreich Haripunjaya weiter aus. Daneben liess er Tempelanlagen in Angkor restaurieren und neue errichten, darunter Angkor Wat. Die Anlage wurde als Staatstempel des Königs im südöstlichen Teil der früheren Hauptstadt Yasodharapura erbaut und diente der Verehrung Vishnus. Es gibt auch Hinweise, wie etwa die ungewöhnliche Ausrichtung Angkor Wats nach Westen, der Himmelsrichtung des Todesgottes Yama, die dafür sprechen, dass es der Totentempel Suryavarman II. war. Da weder die Gründungsstelle noch andere Inschriften aus dieser Zeit aufgefunden wurden, ist der ursprüngliche Name unbekannt. Es wird angenommen, dass es nach Vishnu benannt wurde, mit dem sich der König im Gegensatz zu seinen Vorgängern als Vishnuist Unterschied. Die Arbeiten scheinen rasch nach dem Tod des Königs eingestellt worden zu sein, so dass einige der Reliefs unvollendet blieben. Im Jahr 1177 wurde Angkor von den Cham, den traditionellen Feinden der Khmer, erobert. Jayavarman VII. gelang es schliesslich, die Invasoren zu besiegen und das Khmerreich wiederherzustellen. 1,5 km nördlich von Angkor Wat liess er die neue Hauptstadt Angkor Thom mit dem Bayon als buddhistischen Haupttempel errichten. Im späten 13. Jahrhundert wandelte sich Angkor Wat nach und nach von einer hinduistischen Kultstätte in eine des Theravada-Buddhismus. Zu dieser Zeit wurde Angkor Wat zum Namen des Tempelkomplexes. Anders als die anderen Tempel Angkors verwahrloste die Anlage zwar im 16. Jahrhundert etwas, wurde aber nie vollständig verlassen. Die gut erhaltene Tempelanlage hängt mit dem Wassergraben zusammen, der Angkor Wat gegen das Vordringen des Waldes schützt. Einer der ersten Besucher aus dem Westen war der portugiesische Kapuziner Antonio da Magdalena, der 1586 nach Angkor kam. Er beschrieb seinen Eindruck von Angkor Wat dem portugiesischen Historiker Diogo de Couto zufolge „als so aussergewöhnlich, dass man es weder mit einem Stift beschreiben noch mit einem anderen Monument in der Welt vergleichen kann.“ In den nächsten Jahrhunderten blieben es Missionare und Kaufleute aus dem Westen, die Angkor Wat Beachtung schenkten. Dies änderte sich erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch die begeisterten Reiseberichte des französischen Naturalisten Henri Mouhot, der die Tempelanlage 1860 erkundete und Forscher auf Angkor Wat aufmerksam wurden. Mouhot datierte Angkor Wat auf die Antike und konnte sich einen Bau durch die Khmer nicht vorstellen. Er verglich Angkor Wat mit dem Tempel Salomos, der von einem antiken Michelangelo errichtet. Im 20. Jahrhundert wurde Angkor Wat intensiv von dem französischen Institut École française d’Extrême-Orient restauriert und erstmals von 1908 bis 1911 von Erde und Vegetation befreit. Der Bürgerkrieg und die Herrschaft der Roten Khmer unterbrachen diese Arbeiten. Das Monument blieb unbeschädigt, doch Statuen, meist aus der Post-Angkor-Zeit, wurden gestohlen oder zerstört. Der Tempel ist ein Nationalsymbol und beeinflusst auch die internationalen Beziehungen zu Thailand, Frankreich und den Vereinigten Staaten. Angkor Wat ist seit ihrer ersten Version von ungefähr 1863 auf der Nationalflagge Kambodschas abgebildet. So war es auch das kulturelle Erbe Angkor Wats und Angkors insgesamt, welche die Franzosen dazu motivierte, Kambodscha 1863 zu kolonisieren und der Vorherrschaft von Vietnam und Siam zu entreissen. Seit seiner Unabhängigkeit 1953 kontrolliert Kambodscha Angkor Wat. Angkor Wat ist nur ein Teil der viel umfassenderen Gesamtanlage Angkor mit seiner Vielzahl von historischen Bauensembles, von denen Angkor Thom das Grösste ist. Wie auch die anderen grossen Tempelareale in Angkor, war Angkor Wat von Siedlungen umgeben. Stein als Baumaterial war allerdings religiösen Bauwerken vorbehalten, weshalb von den weltlichen Bauten, auch den Residenzen der Herrscher, keine erhalten sind. Die gewaltigen Bauten weisen zahlreiche Schäden auf. Witterungseinflüsse, die tropische Vegetation und menschliche Zerstörungskraft, wie etwa die Plünderungen durch die Siamesen im 15. Jahrhundert, haben den Tempeln zugesetzt. Ein weiterer Grund für den Zerfall ist, dass sich die Khmer ab dem 13. Jahrhundert dem Buddhismus zuwandten, weshalb keine neuen Tempel mehr errichtet wurden. Hinzu kam die Abholzung sämtlicher Wälder durch die Khmer sowie Missernten durch versiegendes Wasser und den damaligen Klimawandel. Die Anlage diente aber spätestens seit dem 16. Jahrhundert als buddhistisches Heiligtum. Die Gebäude wurden aus kunstvoll gestaltetem Sandstein zusammengesetzt. Die zahlreichen Kanäle der Anlage dienten den Arbeitern auch dazu, die riesigen Steinbrocken mit Flössen zu transportieren. Für den Bau wurden die Blöcke mit besonderen Schleifanlagen so bearbeitet, dass sie ohne erkennbare Zwischenräume aufeinandergesetzt werden konnten. Das komplette Areal der Tempelanlage von Angkor Wat misst inklusive des Wassergrabens in West-Ost-Richtung knapp 1,5 km und in Nord-Süd-Richtung knapp 1,3 km. Der Wassergraben ist zwischen 170 und 190 Meter breit und umschliesst das innere Areal. Viele der Tempelwände sind mit steinernen Figuren dekoriert, die Tänzerinnen – so genannte Apsaras – darstellen. Jede Figur hat eigene, besondere Merkmale, so dass sie sich untereinander nicht gleichen. |
Auch wenn sich die einzelnen Tempelanlagen vom Grunde her gleichen, ist es immer wieder aufregend und interessant, die einzelnen Tempelanlagen zu besichtigen.
Nach etwa der Hälfte werden wir etwas nervös. Wir sind unsicher, ob wir den «Königspalast» verpasst haben. «Der muss doch zwischen der Elefanten-Terrasse, und der Terrasse des Lepra Königs sein. Jedenfalls steht es so in unserem Plan», meint Ma zu Jo. Nach etwas hin und her merken wir, dass wir am Königspalast schon 2-mal vorbei gelaufen sind und ihn einmal besichtigt haben. Der Königspalast ist wenig königlich, können wir nur dazu sagen…
Als vorletzten Tempel besuchen wir Ta Phrom. Diese Tempelanlage ist durch den Kinofilm Tomb Raider mit Angelina Jolie aus dem Jahr 2001 berühmt geworden. Hier, in diesem Tempel hat die Natur sich schon wieder viel von ihrem Land zurückerobert. Dieser Ort versprüht schon eine eigentümliche Magie…
Die letzten Tempel, die wir auf der «Kleinen Tour» besichtigen, sind die eher unscheinbaren Bibliotheken und Universitäten. Sie sind klein, verzweigt und üben eine beklemmende Wirkung auf uns aus. Wie man hier in dieser Dunkelheit und Enge Bücher aufbewahren konnte, die zur damaligen Zeit im 12. Jahrhundert eine grosse Kostbarkeit darstellten, ist uns ein Rätsel.
Auch wenn wir früh am Nachmittag wieder im Hostel sind, sind wir schon mehr als 10 Stunden auf den Beinen und entsprechend geschafft und hungrig.
Kurz besprechen wir mit Borin, wie wir uns den morgigen und den übermorgigen Tag vorstellen. Alles tip top! Zwei Duschis und keine 10 min. später sitzen wir vor unserem kalten Bier im Resti des nahe gelegenen Hostels, in dem wir gestern Sofia kennengelernt haben.
Vor dem Zoom mit den Jungs machen wir ein kurzes Nickerchen.
Nach dem amüsanten und kurzweiligen Online-Meeting mit den Jungs passiert heute nicht mehr viel. Ein wenig am Reisetagebuch arbeiten und das ist es dann auch schon wieder gewesen.
Morgen machen wir mit Borin unsere zweite Tour durch die Tempelanlagen des Weltkulturerbes von Angkor. Weniger Tempelanlagen, dafür weiter auseinander gelegen. Nicht um 5 Uhr, sondern erst um 6:30 geht’s los.
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