Nicht kalt, aber kühler war diese Nacht, als die letzte davor.
Wir würden gerne noch eine weitere Nacht hier bleiben, aber leider ist der Campground über’s Wochenende komplett ausgebucht. Rik, der Camp Host meint: «Wenn wir uns ganz an den Rand am Eingang stellen würden, könnten wir vielleicht bleiben…» Doch leider lässt sich auch so kein Permit lösen und das könnte mit den Rangern Probleme geben. Der hilfreiche und Rik hat noch eine andere Idee, aber auch diese verwerfen wir. Mit Rik tauscht Jo noch den Kontakt aus, vielleicht sehen wir uns in ein paar Wochen bei ihm diheime in seinem Bed & Breakfast wieder… Wer weiss?
Vielleicht meinen einige Camper, dass es wichtig ist, ein Camp um sich herum zu schaffen. Alles wird strategisch ein- und ausgerichtet. Manch einer beansprucht für sich allein mehr Platz als eine dreiköpfige Familie. Die logische Reihenfolge ist also: Camper, Camping, Camp… Alles irgendwie menschlich. Wenn’s dann darauf ankommt, wird dann doch noch zusammengerückt – schliesslich sollen morgen 70 Personen auf dem kleinen Campground Platz finden.
JoMa entschliessen sich, nach dem Zmorge aufzubrechen und ein Stück weiter nach Norden zu fahren. Also, wieder eine kleine enge, kurvenreiche und steile Strasse vom Berg runter. Auch diesmal macht Eneli das ganz fein.
Ma hat für heute unseren Unterschlupf auf dem Golf Club in Proston ausfindig gemacht. Ist nicht ganz so weit, nur gerade mal 2 Std. entfernt. Diesmal müssen wir keine extra Runde für eine Tankstelle fahren. Wir haben noch genügend Treibstoff im Tank.
Wir kommen in der kleinen Ortschaft Proston an und wollen schon in die Sports- und Showground Area einbiegen. Was wir sehen, sind Pferde, Rinder, Cowboys und Trailer. Es muss was in der Luft liegen, sonst wären die nicht alle hier.
Direkt «eine Tür weiter» ist unser Stellplatz im Proston Golf Club. Wir parken Eneli und wollen uns das Spektakel nicht entgehen lassen.
Über’s ganze Wochenende findet eine Art Rodeo, das «Campdrafting» statt. Rinder werden von einem Cowboy oder Cowgirl zu Pferd über einen Parcours gelenkt, wobei das freilaufende Rind sich nicht immer in die richtige Richtung treiben lässt. Das Ganze geht auf Zeit. Manchmal will das Rind bereits vor dem eigentlichen Start schon ausbüxen und nicht durch das Startgatter… Wenn das Rind Ross und Reiter sichtlich austrickst, hat der Cowboy schon verloren.
Was ist Campdrafting?
Campdrafting ist eine einzigartige australische Pferdesportart, die es seit dem 19. Jahrhundert gibt Das Ziel des Wettbewerbs ist es, ein Rind von einer kleinen Herde im Lager zu trennen, sein Pferd leise zwischen dem Vieh zu bewegen und das ausgewählte Tier zu einem Tor am anderen Ende (vorne) des (Lager-)Hofes zu bringen, wobei das Rind für kurze Zeit zwei- oder dreimal blockiert wird, um zu verhindern, dass es zur Herde zurückkehrt. Wenn der Reiter oder die Reiterin das Gefühl hat, dass den Richtern die Kontrolle über das Rind bewiesen wurde, ruft er dazu auf, das Tor zu öffnen. In der Arena angekommen, arbeitet der Teilnehmer gegen die Uhr (vierzig Sekunden), um das Rind um zwei Pfähle in einem Acht-Muster herum zu führen und das Rind dann zwischen den letzten beiden Pfählen, die als Tor bekannt sind, zu treiben. Die beste Kombination aus Kontrolle des Rindes, Reitfähigkeiten, Geschwindigkeit und Abschluss des Kurses erzielt die höchsten Punkte. Die Fähigkeiten der Pferde, kombiniert mit atemberaubender Reitkunst, macht Campdrafting zu einem attraktiven Sport für Teilnehmer und Zuschauer. |
Am Schluss bringen alle Reiterinnen und Reiter zusammen die Rinder zurück zum Ausgangspunkt:
JoMa machen es sich auf einer kleinen Sitztribüne neben David und seiner Frau bequem. Ihr Sohn ist einer der Wettkämpfer, die um den Preis gegeneinander antreten. David und seine Frau wohnen ein paar Autostunden von hier entfernt an der Küste, nördlich von Brisbane an der Sunshine Coast. David erklärt Jo, dass es für diesen immer populäreren Sport ganz bestimmte Pferde braucht. Das «Australien Stock Horse». Es sind relativ kleine, ausdauernde und wendige Pferde, auf denen hier die Reiter ihr Bestes geben.
Auch wenn sich David Mühe mit seiner Aussprache gibt, versteht Jo manchmal nur die Hälfte von der Hälfte. David als «Aussie» spricht den hier üblichen Dialekt, wobei die Australier für alles und jeden gerne Abkürzungen gebrauchen. Den Rest «verschlucken» sie 😉 So sind sie auch keine «Australiens» sondern «Ostrains» ausgesprochen… Auch gibt es im australischen Englisch andere Ausdrücke als im amerikanischen oder britischen Englisch.
Hier ein Beispiel von einem Schild auf dem Highway. Deutsch: Überholspur, USA: Passing Line, Australien: Overtaking Line, Englisch: Fast Lane.
Als es zeit fürs Zoom wird, machen JoMa die paar Schritte zurück zu Eneli. Es ist immer wieder eine Freude, die «Jungs» zu sehen. Cesare erzählt von seiner Segeltour letzte Woche, Bernie von der Rad WM, die in Zürich beginnt und Phil von dem Flechten-Kongress, wozu er einen Beitrag zusteuert.
Es ist finstere Nacht als Ma das Znacht (wie treffend) fertig brutschelt. Es ist wolkenlos und ohne störendes Umgebungslicht. Dies macht den Sternenhimmel sehr eindrücklich. Ganz unten am Rand ist sogar das berühmte Kreuz des Südens zu sehen.
Als alles fertig abgewaschen und weggeräumt ist, hören wir einen wahren Schnellsprechmarathon aus dem Showground. Ob das eine klassische Rinderversteigerung ist? Jo, geht nachschauen.
Nein, es ist die Versteigerung der Preisgelder für die einzelnen Reiter. Mindestgebot sind 100 Dollar.
Es ist nur ein kleines Campdraft hier im beschaulichen Proston. Daher sind die Preisgelder auch relativ gering. Die umherstehenden Farmer und Freunde bieten auf den jeweiligen Reiter. Wer den Zuschlag bekommt bezahlt direkt vor Ort. Es geht mehr um Ruhm und Ehre als um monetären Erfolg. Ganz nach dem olympischen Gedanken: Dabei sein ist alles. Alle freuen sich, dass sie dabei sein dürfen. Es herrscht eine ausgelassene und fröhliche Stimmung. Es wird erzählt, gelacht, gegessen und getrunken. Kinder springen lachend umher. Ist halt die australische «Chilbi».
Während JoMa ihre Hausaufgaben machen, fällt auf, dass heute am 21. September die Tag-und-Nacht-Gleiche ist. Hier auf der Südhalbkugel werden nun die Tage wieder länger.
Am 21. Dezember, im australischen Sommer, ist der längste Tag des Jahres. Wir werden sehen, wie lang die Tage dann sein werden und euch darüber berichten.
Heute sind wir nicht so weit gefahren, morgen machen wir nochmal ein paar Meter…
Gute Nacht zusammen 😉 Da stecken zwei mangels Höhe in Eneli die Köpfe zusammen.:-)
valentin cesar gessler
Genialer Sport, ausgezeichneter Film. Danke